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Gegenseitige Rücksichtnahme und gemeinsames Feiern als Förderfaktoren von Inklusion und Teilhabe

Angedacht zum Weiterdenken


In meinem kurzen Grundlagenartikel* wies ich auf einige Förderfaktoren und Barrieren einer inklusiven Gemeinschaft hin. Bereits in biblischen Texten werden zeitlose Aspekte einer sich umeinander sorgenden beziehungsweise fürsorglichen Gemeinschaft ("Caring Community") oder "Enabling Community" (befähigende Gemeinschaft) mindestens im Ansatz erkennbar. Eine solch inklusive Kultur und Praxis war allerdings schon in biblischer Zeit vielfältig gefährdet. Herausforderungen und mögliche Grenzen der Inklusion und Teilhabe sind nicht neu.

Zum Beispiel war die Gemeinschaft der Christen in der griechischen Stadt Korinth gefährdet, weil die Armen und die Reichen nicht gemeinsam essen konnten oder wollten. Man kann vermuten, dass sich in erster Linie die Gutbetuchten beim Abendmahl den Bauch vollschlugen. In diesem Fall hätten sie das wohl bereits getan, bevor die anderen eintrafen. Jedenfalls drohte sich die gesellschaftliche Trennung von armen und reichen Menschen in der christlichen Gemeinschaft fortzusetzen. Deshalb ging es für den Apostel Paulus in seinem ersten Brief an die besagten Christen "um nichts weniger, als die Wahrhaftigkeit der Verkündigung und der geschwisterlichen Liebe"**. 

Das Miteinander und gerade die Teilhabe der besonders Gefährdeten und Minderbemittelten war dadurch derart gestört, dass einige krank und schwach wurden oder sogar starben***. Paulus mahnte die Christen darum, das symbolträchtige  und sinntiefe Abendmahl gemeinsam einzunehmen und sich nicht gegenseitig zu benachteiligen und auszugrenzen. Wer vor der Feier schon Hunger hat, soll sich zu Hause satt essen. Er schreibt der Gemeinde: 

"Wenn ihr also zum Mahl zusammenkommt, meine Brüder und Schwestern, wartet aufeinander!"****

Das für "warten" verwendete Wort im griechischen Grundtext meint in erster Linie, etwas von jemandem zu erhalten oder anzunehmen*****. Ob hier vor allem das zeitliche Warten aufeinander oder sich im gemeinsamen Feiern des Abendmahls gegenseitig zu beschenken und zu ermutigen im Zentrum stehen, ist nur bedingt wichtig. Beides, gegenseitige Rücksichtnahme, sogar buchstäblich auf die Schwächeren oder Langsameren zu warten sowie gemeinsame Feierlichkeiten und andere verbindende Aktivitäten zusammen und nicht übereinander hinweg zu gestalten, sind bis heute Merkmale einer inklusiven Gemeinschaft – nicht nur in der Kirche. Das lässt sich auf mein Wohnquartier, eine Lebens-  und Wohngemeinschaft, die Familie, den gemeinnützigen Verein, die Schule, die Firma und viele andere Orte sowie die Gesellschaft als Ganzes übertragen.

Viel Gewinn beim Weiterdenken.


Endnoten:

*Vergleiche den Blogbeitrag „Inklusion in Theologie und Kirche – Grundsätzliche Überlegungen und Streiflichter“ vom 03. Februar 2022 unter https://www.institutinklusiv.ch/aktuell/inklusion-in-theologie-und-kirche.

**Vergleiche zum Beispiel Kunz, Ralph 2013. „Inklusive Gemeinde“, Referat-Manuskript zum Workshop an der Fachtagung von Glaube und Behinderung vom 30. Mai, S. 11.

***Vergleiche 1. Korintherbrief 11,30.

****1. Korintherbrief 11,33, Einheitsübersetzung, 2020.

*****Vergleiche zum Beispiel Schottroff, Luise 2013. Der erste Brief an die Gemeinde in Korinth, in Stegemann, Ekkehard W. u. a., Bd. 7, Theologischer Kommentar zum Neuen Testament. Stuttgart: Kohlhammer, S. 239.

Foto: © Oliver Merz.

 

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