aktuell

Inklusion ist keine Option

Nur Menschen, die vermisst werden, gehören wirklich dazu. Finden Sie heraus, ob das in Ihrem Umfeld der Fall ist.

 

Inklusion ist keine Option, weil sie in unserer Gesellschaft immer tiefer verankert und menschenrechtlich gefordert ist. Inklusion ist aber trotzdem nicht genug.

Was meine ich damit? 

Ich sage es mit dem schottischen Theologieprofessor John Swinton:

"Es ist relativ einfach, Menschen einzubeziehen. Um einbezogen zu sein, musst du nur da sein; um dazuzugehören, musst du vermisst werden. Um dazuzugehören, müssen Menschen danach verlangen, dass du wieder unter ihnen bist. [...] Um dazuzugehören, müssen Menschen deine Welt verstehen und sich Zeit nehmen, sie zu respektieren und wertzuschätzen. Um dazuzugehören, müssen Menschen auf die Herausforderungen und Fragen hören, die deine Welt mit sich bringt" (John Swinton, 2013)*.

Das ist ein praktischer "Mini-Gradmesser" dafür, wie inklusiv eine Gemeinschaft ist. Der Übertragung dieses Ansatzes der Zugehörigkeit auf unterschiedliche Kontexte und die Gesellschaft insgesamt sind sicher Grenzen gesetzt. Trotzdem seien ein paar Fragen erlaubt: 

Gehören besonders verletzliche, von Benachteiligung und Ausgrenzung gefährdete Menschen in unseren Kirchen, Schulen, Organisationen, Firmen, Dörfern, Städten usw. wirklich so dazu?

Prägen sie den Betrieb in der Organisation, Firma oder Schule, den kirchlichen Alltag, das Dorfleben aktiv mit? So aktiv, wie es ihnen möglich ist? 

Ist ihr Beitrag wirklich gefragt oder empfinden wir diese Menschen primär als Störung und Hindernis in unserem hochtourigen und durchgestylten Firmen- oder Kirchenalltag?

Sind Menschen mit Beeinträchtigung, Migrantinnen und Migranten, von Armut Betroffene und andere, die in Kirche, Wirtschaft und Zivilgesellschaft von Benachteiligung und Ausgrenzung gefährdet sind, wenigstens da oder nicht mal das?

Vermissen wir sie, wenn sie nicht da sind?

Über diese und weitere Fragen lohnt es sich einmal in Ruhe nachzudenken. 

Warum nicht dazu eine Austauschrunde in Ihrer Kirchen-, Schul- oder Firmenleitung, im Verwaltungs- oder Gemeinderat durchführen? Wenn Sie das tun, empfehle ich Ihnen wärmstens, zu diesem Austausch auch Personen aus den Zielgruppen ("Betroffene") einzuladen, um deren Inklusion es geht. Hören Sie sich ihre Wünsche, Meinungen und Vorschläge an. Beziehen Sie diese Menschen in die Planung und Umsetzung von Massnahmen zur Verbesserung ein. Das steht diesen Personen nicht nur zu, sondern sie sind auch die Expertinnen und Experten ihrer eigenen Inklusion.

Ihre Erfahrungen interessieren mich.

Ich wünsche Ihnen lichtvolle Festtage und einen ermutigenden Jahreswechsel. Und lassen wir niemanden alleine! 

Herzlich

Dr. Oliver Merz
Leiter "Institut Inklusiv"

 

Quellen:

*"It is relatively easy to include people. To include someone they just need to be there. (…) But you can very easily be in a congregation and not of it! Inclusion is not enough. We need to belong. To be included you just need to be there; to belong you need to be missed. To belong people need to long for you to be back amongst them. (…) To belong, people need to understand your world and take time to respect it and seek out its value. To belong people need to listen to the challenges and questions that your world brings" (John Swinton, Gastvorlesung an der Universität Zürich anlässlich der Buchvernissage zum "Handbuch Inklusion in der Kirchengemeinde", Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht, 2013.).

Foto: Tagung "Inklusion leben", Heilsarmee Schweiz, Bern, 2018, © Oliver Merz.

 

Themenliste