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Gleichwertig, aber nicht gleichartig – Grundsatz fürs Zusammenleben und Zusammenarbeiten

Bereits in biblischen Texten finden wir Ansätze für Gleichberechtigung und Gleichstellung, auch wenn diese noch nicht mit einer modernen (westlichen) Vorstellung und Gesetzgebung zu vergleichen sind. In einem Brief des Apostels Paulus an die Christen in Galatien (heutige Türkei) verdichtet sich dies eindrücklich zu einem quasi "Gleichstellungsartikel":
"Hier gibt es keinen Unterschied mehr zwischen Juden und Griechen, zwischen Sklaven und freien Menschen, zwischen Mann und Frau. Denn durch eure Verbindung mit Jesus Christus seid ihr alle zusammen ein neuer Mensch geworden."
(Galaterbrief 3,28, Neue Genfer Übersetzung, 2013)
Alternative Übersetzung:
"Es gibt nicht mehr Juden und Griechen, nicht Sklaven und Freie, nicht männlich und weiblich; denn ihr alle seid einer in Christus Jesus."
(Galaterbrief 3,28, Einheitsübersetzung, 2017)
Zusammengefasst sagt der Abschnitt, in dem dieser Vers eingebunden ist: Gott versöhnt alle in Christus mit sich und schafft eine neue Qualität von Gemeinschaft. Alle hatten das gleich nötig. Unser Vers ist quasi die Krönung.
Vor Gott sind alle Menschen gleichwertig, ohne Unterschied, und zwar brutto. Niemand ist höher beziehungsweise besser, alle gehören gleich viel zu Jesus Christus und zur Gemeinschaft der Gläubigen. So schrieb es der Apostel Paulus damals.
Trotzdem sind wir verschieden. So wenig wie Männer und Frauen, Juden und Griechen und viele andere in der frühen Christenheit in ihrem Wesen und ihrer Art gleich waren, so viel sind auch wir heute unterschiedlich, mitunter sogar mehr als uns lieb ist. Das kann uns zugegeben herausfordern.
Der Grundsatz lautet demnach:
Gleichwertig, aber nicht gleichartig!
Der obige Text war an christliche Gemeinden gerichtet. Diese Worte lassen sich aber mindestens ansatzweise auch auf andere Formen von Gemeinschaften und Miteinander übertragen, zum Beispiel Teams, Vereine, soziale Institutionen, Schulgemeinschaften, Firmen oder sogar auf ganze Dörfer und Städte und die Gesellschaft als Ganzes.
Was können wir davon für unser Miteinander und unsere Zusammenarbeit in verschiedenen Kontexten lernen?
Es ist normal, dass wir verschieden sind. Der biblische Text deutet an, dass dies sogar von Gott so gewollt ist. Wir haben mindestens zu akzeptieren, dass wir unterschiedlich sind. Wir dürfen es aber auch schätzen. Das würde sich auszahlen. Denn wir können unsere Unterschiedlichkeit nutzen. Das wäre im Sinne des "Erfinders".
Verschiedene Gaben, Stärken und Funktionen sind wichtig und nötig. Natürlich bringen wir auch unsere Schwächen ein. Wir haben einander eben "brutto".
Den Christen wollte gesagt werden, dass Gott die menschliche Vielfalt nicht hindert, seine gute Herrschaft mit und durch uns Menschen weiter auszubreiten. Wir ergänzen und unterstützen einander. So erreichen wir mehr als allein. Und, wir teilen Freud und manchmal vielleicht auch Leid. Dafür braucht es gegenseitiges Vertrauen.
Da klingt viel grundsätzlich Menschliches an. Der Ansatz ist darum interessant und lässt sich vielfältig übertragen. Nützliche und bestenfalls möglichst flache Hierarchien, gegenseitige Wertschätzung und Annahme sowie verbindende Werte und ein partizipatives Miteinander mit gegenseitiger Förderung und Unterstützung sind auch heute der Schlüssel zu inklusiven und solidarischen Gemeinschaften.
Es lohnt sich weiterzudenken!
Zur Vertiefung sei beispielsweise auf die folgenden Beiträge verwiesen:
"Barrieren und Förderfaktoren von Inklusion"
"Inklusion in Theologie und Kirche"
"Gegenseitige Rücksichtnahme und gemeinsames Feiern als Förderfaktoren von Inklusion und Teilhabe"
"Von der Ausgrenzung zur Umarmung"
"Diversity Management aus biblischer Perspektive"
Autor: Dr. Oliver Merz, Leiter "Institut Inklusiv"
Foto: Shutterstock.
Themenliste
- Säkularisierung Europas – Frage nach den Folgen
- Die Inklusion von queeren Menschen (LGBTQIA+) in der Kirche
- „Achte auf dein Inneres, denn es beeinflusst dein Äusseres!“
- Solidarische und inklusive lokale Gemeinschaften – was bedeutet das?
- 3. Tagesseminar zu Inklusion von queeren Menschen in der Kirche
- Gleichwertig, aber nicht gleichartig – Grundsatz fürs Zusammenleben und Zusammenarbeiten
- Die Zeit ist reif!
- Ein durchkreuzter Traum
- Inklusion und Friedensförderung im und durch Sport
- "DU für alle"
- "Die Liebe ist die Grenze!"
- Von der Hoffnung – nicht nur für schwere Zeiten
- Bericht zum 2. Tagesseminar zu Inklusion und LGQBTIA+ in der Kirche
- Wie inklusiv sind Kirchen in unserem Land?
- Was ein Baum über Einheit in Vielfalt lehrt
- "Zmitztdrin" – eine Anstiftung zu mehr Inklusion in der Kirche
- Bericht zur Fachtagung "Dazugehören" in Aarau
- 2. Tagesseminar zu Inklusion und LGBTQIA+ in der Kirche
- Diversity Management aus biblischer Perspektive
- Unterstützen Sie uns dabei, Kirchen inklusiver zu machen!
- Frohe Festtage und ein hoffnungsvolles neues Jahr!
- "Ich lasse mich nicht behindern"
- Fachtagung "Dazugehören" – jetzt anmelden!
- "Dazugehören – gemeinsam für eine inklusive Kirche und Gesellschaft"
- Ab in die Sommerpause
- "Zmitztdrin" – Lehrmittel mit Dokumentarfilm zu Inklusion in der Kirche
- Für Inklusion sensibilisieren
- Inklusive Veranstaltungen durchführen
- Rückblick auf das Tagesseminar "Inklusion und LGBTIQ* in der Kirche"
- Dazugehören – mit Kopf und Herz für eine inklusivere Welt
- 1. Treffen des Beirats
- Tagesseminar Inklusion und LGBTIQ* in der Kirche
- "Von der Ausgrenzung zur Umarmung"
- 1 Jahr Institut Inklusiv
- Gegenseitige Rücksichtnahme und gemeinsames Feiern als Förderfaktoren von Inklusion und Teilhabe
- Inklusion und Gender
- Paulus – Cheftheologe und Apostel mit Behinderung
- Ein Sommergruss
- Lyrische Inklusion
- "Inklusiv für alle – wirklich?"
- Inklusion in Theologie und Kirche
- Barrieren und Förderfaktoren von Inklusion
- Konferenz "Versöhnt leben" 2022
- Inklusion ist keine Option
- Institutsgründung