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Von der Hoffnung – nicht nur für schwere Zeiten
Ich habe in meinem Leben öfters gefragt, was ich brauche, um in zahlreichen Herausforderungen trotzdem weiterzugehen und nicht zu verzweifeln. Vielleicht kennen Sie das auch. Spontan sagte ich mir dann: „Du brauchst viel Hoffnung! Hoffnung, dass es wenigstens Gott im Griff hat – egal was und wie es kommt!“
Hoffnung macht widerstandsfähiger. Das belegen inzwischen auch Studien. Ein Bibelbuch ist besonders bekannt für seinen Aufruf zur Hoffnung. Ich meine den Hebräerbrief. Die Christen, die dort angeschrieben wurden, standen unter grossem Druck und in existenziellen Herausforderungen. Der Schreiber ruft sie eindringlich auf, trotz allem an der Hoffnung festzuhalten, denn diese Hoffnung sei begründet.
Lassen wir ein paar Verse aus dem besagten Brief auf uns wirken:
„Diese Hoffnung ist für uns wie ein sicherer und fester Anker, der hineinreicht bis ins innerste Heiligtum, in das Allerheiligste hinter dem Vorhang im himmlischen Tempel.“
(Hebr 6,19, nach Gute Nachricht Bibel, 2018).
„Wir wollen an der Hoffnung festhalten, zu der wir uns bekennen, und wollen nicht schwanken; denn Gott, der die Zusagen gegeben hat, steht zu seinem Wort.“
(Hebr 10,23, nach Gute Nachricht Bibel, 2018).
„Glauben heißt Vertrauen, und im Vertrauen bezeugt sich die Wirklichkeit dessen, worauf wir hoffen. Das, was wir jetzt noch nicht sehen: im Vertrauen beweist es sich selbst.“
(Hebr 11,1, nach Gute Nachricht Bibel, 2018)
Mir tun solche Aussagen gut, Ihnen hoffentlich auch.
Seit meiner Jugendzeit mag ich den deutschen Theologen Dietrich Bonhoeffer. Er beteiligte sich am deutschen Widerstand gegen den Nationalsozialismus und wurde deswegen hingerichtet. Ich erhielt von meiner Schwiegermutter jeweils zu Weihnachten einen Kalender mit Zitaten von ihm. Auf einem Kalenderblatt standen ein paar Sätze aus einem Brief von Bonhoeffer an seinen Freund Eberhard Bethge und einer Predigt zum bekannten Text aus dem 1. Korintherbrief 13,13 („Für jetzt bleiben Glaube, Hoffnung, Liebe, diese drei; doch am größten unter ihnen ist die Liebe“, nach Einheitsübersetzung, 1999).
Nachfolgend einige Worte aus dem Brief und aus der Predigt:
„Wenn schon die Illusion im Leben der Menschen eine so große Macht hat, daß sie das Leben in Gang hält, wie groß ist dann erst die Macht, die eine absolut begründete Hoffnung für das Leben hat, und wie unbesiegbar ist so ein Leben.“
(Widerstand und Ergebung, DBW Band 8, Seite 544, Brief an Eberhard Bethge aus dem Gefängnis Tegel)
„Ein Glaube, der nicht hofft, ist krank. Er ist wie ein hungriges Kind, das nicht essen, oder wie ein müder Mensch, der nicht schlafen will. So gewiß der Mensch glaubt, so gewiß hofft er. Und es ist keine Schande zu hoffen, grenzenlos zu hoffen. Wer wollte auch von Gott reden, ohne zu hoffen. Wer wollte auch von Gott reden, ohne zu hoffen, ihn einmal zu schauen? Wer wollte von Frieden und von der Liebe unter den Menschen reden, ohne sie einmal in Ewigkeit erleben zu wollen? Wer wollte von einer neuen Welt und einer neuen Menschheit reden, ohne zu hoffen, daß er an ihr teilhaben werde? Und warum sollen wir uns unserer Hoffnung schämen? Nicht unserer Hoffnung werden wir uns einstmals zu schämen haben, sondern unsrer ärmlichen und ängstlichen Hoffnungslosigkeit, die Gott nichts zutraut, die in falscher Demut nicht zugreift, wo Gottes Verheißungen gegeben sind, die resigniert in diesem Leben und sich nicht freuen kann auf Gottes ewige Macht und Herrlichkeit. Je mehr ein Mensch zu hoffen wagt, desto größer wird er mit seiner Hoffnung: Der Mensch wächst mit seiner Hoffnung – wenn es nur die Hoffnung auf Gott und seine alleinige Kraft ist. Die Hoffnung bleibt.“
(London 1933-1935, DBW Band 13, Seite 401f., aus einer Predigt zu 1 Kor 13,13)
Starke Worte, in schwierigsten Lebensumständen geschrieben! Sie geben Mut und stärken die Hoffnung, was auch immer kommen mag.
Nein, das meint nicht, Probleme kleinzureden. Aber es geht darum, sich trotz allem nicht die Hoffnung rauben zu lassen, dass Gott darum weiß. Er ist sogar mittendrin und will uns in allem beistehen und hindurchtragen. Und wo wir aus uns selbst nicht mehr hoffen können, bleibt manchmal nur das Gebet, Gott möge uns diese Hoffnung schenken und erhalten.
Eine inklusive Gemeinschaft braucht ebenfalls viel Hoffnung, um in den alltäglichen Herausforderungen nicht zu resignieren. Dies gilt auch aber nicht nur für Kirchen. Der gleichwertige und gleichberechtigte Einbezug verschiedener Einzelpersonen und Gruppen kennt immer noch vielfältige Barrieren und Hindernisse.
Verkürzte oder gar unreflektierte theologische und andere Überzeugungen, Vorurteile und Vorbehalte, ausgrenzende Kultur, praktische Hürden. Die inzwischen auch wissenschaftlich immer stärker bestätigte Liste ist lang. Man könnte die Hoffnung aufgeben und resignieren.
Auf Krankheit, Behinderung und das Miteinander in der christlichen Gemeinschaft übertragen, könnten obige Texte und Überlegungen zum Beispiel heißen:
„Geduld und der Trost der Geistesgegenwart schaffen die Voraussetzung dafür, dass wir einander nicht in projektiver Stigmatisierung die Frustration über den Aufschub der Heilserfüllung aufbürden, sondern die Gemeinschaft der Hoffenden solidarisch gestalten. Anders gesagt: Wir treten konsequent dafür ein, dass aus dem ,Hauptsache gesund’ endlich ein ‚Hauptsache vergeben‘ wird.“
(Antje Fetzer, Diakonisches Werk Württemberg, "Hauptsache gesund?! Die Anbetung des Heilen als theologische Position und Gegenentwürfe", Einführungsvortrag, Tagung "Wie gesund muss ein Pfarrer / eine Pfarrerin sein? Wenn Krankheit und Behinderung mich selbst betreffen", 26.-27.1.2009, Akademie Bad Boll, Seite 10)
„Und es ist keine Schande zu hoffen, grenzenlos zu hoffen.“
Diese Aussage prägte sich mir besonders ein.
Ich mache uns Mut, mit diesem Motto weiterzugehen und „grenzenlos zu hoffen“ – auch gemeinschaftlich.
Ich schließe mit einem eigenen Gedicht:
von der hoffnung
wo wären wir denn ohne sie
wer übernähme in uns die regie
woher bekämen wir die kraft
was wären quelle und lebenssaft
für immer heute und morgen
und all die quälenden sorgen
das schwere
die leere
die ganze misere
gott verwehre
wären wir überhaupt noch hier
oder ertrunken im letzten bier
glücklich wem sie geschenkt ist
nd der tod sie nicht wegfrisst
so wird sie zum rettenden anker
für in not geratene lebenstanker
(15. Februar 2024, Oliver Merz)
Viel Gewinn beim Weiterdenken …
Foto: © Oliver Merz.
Themenliste
- Von der Hoffnung – nicht nur für schwere Zeiten
- Bericht zum 2. Tagesseminar zu Inklusion und LGQBTIA+ in der Kirche
- Wie inklusiv sind Kirchen in unserem Land?
- Was ein Baum über Einheit in Vielfalt lehrt
- "Zmitztdrin" – eine Anstiftung zu mehr Inklusion in der Kirche
- Bericht zur Fachtagung "Dazugehören" in Aarau
- 2. Tagesseminar zu Inklusion und LGBTQIA+ in der Kirche
- Diversity Management aus biblischer Perspektive
- Unterstütze Sie uns dabei, Kirchen inklusiver zu machen!
- Frohe Festtage und ein hoffnungsvolles neues Jahr!
- "Ich lasse mich nicht behindern"
- Fachtagung "Dazugehören" – jetzt anmelden!
- "Dazugehören – gemeinsam für eine inklusive Kirche und Gesellschaft"
- Ab in die Sommerpause
- "Zmitztdrin" – Lehrmittel mit Dokumentarfilm zu Inklusion in der Kirche
- Für Inklusion sensibilisieren
- Inklusive Veranstaltungen durchführen
- Rückblick auf das Tagesseminar "Inklusion und LGBTIQ* in der Kirche"
- Dazugehören – mit Kopf und Herz für eine inklusivere Welt
- 1. Treffen des Beirats
- Tagesseminar Inklusion und LGBTIQ* in der Kirche
- "Von der Ausgrenzung zur Umarmung"
- 1 Jahr Institut Inklusiv
- Gegenseitige Rücksichtnahme und gemeinsames Feiern als Förderfaktoren von Inklusion und Teilhabe
- Inklusion und Gender
- Paulus – Cheftheologe und Apostel mit Behinderung
- Ein Sommergruss
- Lyrische Inklusion
- "Inklusiv für alle – wirklich?"
- Inklusion in Theologie und Kirche
- Barrieren und Förderfaktoren von Inklusion
- Konferenz "Versöhnt leben" 2022
- Inklusion ist keine Option
- Institutsgründung